Arbeitsrecht
Aktuelles zum altersbefristeten Arbeitsvertrag:
Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 25.10.2017 (Az. 7 AZR 632/15) die strenge gesetzliche Schriftform des Teilzeit – und Befristungsgesetzes (§ 14 Abs. 4 TzBfG) auf die sogenannte Altersbefristung erstreckt und damit für eine noch nicht überschaubare Anzahl von Arbeitsverträgen Risiken zulasten des Arbeitgebers, nämlich Unwirksamkeit der Altersbefristung geschaffen. Eine Vielzahl von Arbeitsverträgen enthält eine Regelung, wonach das Arbeitsverhältnis letztendlich mit dem Erreichen eines bestimmten Alters (Rente) endet; dabei handelt es sich in der Regel um eine so genannte Altersbefristung. In vorgenannter Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht die Einhaltung der strengen Schriftform grundsätzlich auch für die Altersbefristung als erforderlich angesehen. Ausnahmen gelten nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis insgesamt einem einschlägigen Tarifvertrag mit Altersbefristung unterfällt. Somit gilt, sollte die im Gesetz vorgegebene Schriftform für die Befristung nicht eingehalten sein, z.B. weil der Arbeitgeber den vom Arbeitnehmer bereits unterzeichneten Arbeitsvertrag nur gegengezeichnet und dem Arbeitnehmer danach nicht mehr zugehen lässt, könnte mit Aussicht auf Erfolg die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trotz Erreichen der Altersgrenze zu Gunsten des Arbeitnehmers geltend gemacht werden können. Für den Arbeitnehmer ist die Einhaltung der Frist des § 17 Teilzeit- und Befristungsgesetz wichtig; will der Arbeitnehmer geltend machen, dass die Befristung eines Arbeitsvertrages rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung nicht beendet ist. Für den Arbeitgeber ergibt sich Handlungsbedarf, wobei dieser wiederum von dem konkreten Sachverhalt abhängt. Für den Fall, dass bereits formunwirksam eine Altersbefristung eingegangen worden ist, muss auf der Basis des konkreten Sachverhalts die Möglichkeit einer Heilung dieses Fehlers beurteilt und sodann versucht werden. Für den Fall, dass zukünftig Arbeitsverträge abgeschlossen werden, empfiehlt sich dringend die übliche Vertragspraxis (nämlich dem Arbeitnehmer ein nicht unterzeichnetes Arbeitsvertragsexemplar zu übermitteln) abzuändern. Vielmehr sollte dem Arbeitnehmer zweifach im Original durch den Arbeitgeber unterzeichnet der Arbeitsvertrag mit einem entsprechenden Begleitschreiben, in welchem sich der Arbeitgeber nur bis zu einem gewissen Zeitpunkt vor Arbeitsbeginn an das Vertragsangebot bindet, versehen mit der Aufforderung, den Vertrag im Original durch den Arbeitnehmer gegengezeichnet vor Ablauf der Bindefrist dem Arbeitgeber zurückzusenden, übersendet werden. Das jeweilige Eingangsdatum des vollständig unterzeichneten Arbeitsvertrages beim Arbeitgeber ist zu dokumentieren und aus Beweisgründen für die Dauer des Arbeitsverhältnisses aufzubewahren. Dies alles muss vor Arbeitsaufnahme erfolgen. Einzelheiten bedürfen selbstredend der konkreten rechtlichen Beurteilung und Beratung.
Aktuelles zum befristeten Arbeitsverhältnis:
Im Bereich der sogenannte Befristung ohne sachlichen Grund (§ 14 Abs. 2 TzBfG) sind aktuell wichtige Urteile für die Praxis ergangen: Innerhalb des Höchstzeitraumes von zwei Jahren kann das befristete Arbeitsverhältnis höchstens drei Mal verlängert werden, so dass 4 Befristungen (Erstvertrag und 3 Verlängerungen) möglich sind. Es gilt jedoch das sogenannte Vorbeschäftigungsverbot: Eine derartige Befristung ist nach dem Gesetzeswortlaut nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Vorgenannte Rechtproblematik ist unabhängig davon, ob mit dem Arbeitnehmer ein mündlicher oder schriftlicher Arbeitsvertrag bestanden hat. Letztendlich kommt ein Arbeitsvertrag auch mündlich zustande, wenn ein Arbeitnehmer mit Einverständnis des Arbeitgebers Arbeitsleistung erbringt. Es kommt im Übrigen auch nicht auf die im Vertrag eingesetzten Daten an, vielmehr auf die tatsächliche Handhabung. Das Bundesarbeitsgericht hat zwar 2011 ein Urteil erlassen, wonach eine zeitliche Beschränkung dieses Vorbeschäftigungsverbotes angenommen worden ist; nach diesem Urteil steht der Möglichkeit, ein Arbeitsverhältnis ohne Sachgrund bis zu zwei Jahre zu befristen, ein früheres Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers mit demselben Arbeitgeber nicht entgegen, wenn das Ende des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses mehr als drei Jahre zurückliegt. Diese Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist jedoch durch eine Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr zutreffend. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 06.06.2018 (1 BvL 7/14) diese Rechtsprechung abgelehnt und ausgeführt, die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts löse sich „von der gesetzgeberischen Grundentscheidung und ersetzt diese durch ein eigenes Regelungsmodell, dass der Gesetzgeber erkennbar nicht wollte. Damit sind die Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung durch die Gerichte überschritten“. Letztendlich kann daher ein Verstoß gegen das sogenannte Vorbeschäftigungsverbot aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dazu führen, dass der betreffende Arbeitnehmer bei Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben mit Aussicht auf Erfolg ein unbefristetes Arbeitsverhältnis geltend machen kann. Die Befristung eines Arbeitsvertrages, somit auch die Verlängerung der Befristung, bedarf zu seiner Wirksamkeit der Schriftform, andernfalls ist ein unbefristetes Arbeitsverhältnis abgeschlossen. Insoweit hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 25.10.2017 (7 AZR 632/15) klargestellt, dass die Wahrung der im Gesetz vorgegebenen Schriftform für die Befristung eines Arbeitsvertrages den Zugang der unterzeichneten Befristungsabrede bei dem Erklärungsempfänger vor Vertragsbeginn erfordert. Das Angebot und die Annahme der Befristungsabrede müssen der jeweils anderen Vertragspartei schriftlich (nicht per Telefax/nicht per E-Mail) vor Vertragsbeginn zugehen. Würde also beispielsweise der Arbeitgeber einen von ihm nicht unterzeichneten befristeten Arbeitsvertrag an den Arbeitnehmer übersenden und der Arbeitnehmer diesen von ihm unterzeichnet an den Arbeitgeber zurücksenden, so würde der Arbeitsvertrag durch bloße Gegenzeichnung durch den Arbeitgeber nicht als wirksam befristeter Arbeitsvertrag zu Stande kommen; vielmehr könnte für diesen Fall der Arbeitnehmer mit Aussicht auf Erfolg ein unbefristetes Arbeitsverhältnis geltend machen. Der Arbeitgeber muss vielmehr nachweisbar vor Arbeitsbeginn ein vollständig im Original unterzeichnetes Exemplar des befristeten Arbeitsvertrages dem Arbeitnehmer zugehen lassen. Für den Arbeitnehmer ist die Einhaltung der Frist des § 17 Teilzeit- und Befristungsgesetz wichtig; Will der Arbeitnehmer geltend machen, dass die Befristung eines Arbeitsvertrages rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung nicht beendet ist.
Aktuelles zur Elternzeit:
Das Verlangen nach Elternzeit bedarf der Schriftform.
Das Verlangen nach Elternzeit (§ 16 I S.1 BEEG) erfordert die strenge Schriftform. Der/die Arbeitnehmer/Arbeitnehmerin muss das Verlangen eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnen. Telefax oder eine E-Mail wahrt die erforderliche Schriftform nicht und führt zur Nichtigkeit der Erklärung (BAG Urteil vom 10.05.2016 – 9 AZR 145/15).
Aktuelles zur Verlängerung der Probezeit im Berufsausbildungsverhältnis:
Nach dem Berufsbildungsgesetz (§ 20 BBIG) muss die Probezeit mindestens einen Monat und darf höchstens vier Monate betragen. Arbeitgeber und Auszubildender hatten im Berufsausbildungsvertrag eine Probezeit von vier Monaten sowie
wird die Ausbildung während der Probezeit um mehr als ein Drittel dieser Zeit unterbrochen, so verlängert sich die Probezeit um den Zeitraum der Unterbrechung
vereinbart.
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass die Vertragsparteien für den Fall einer Unterbrechung der Ausbildung während der Probezeit um mehr als ein Drittel der Probezeit vereinbaren können, dass sich die Probezeit um den Zeitraum der Unterbrechung verlängert. Eine derartige Regelung ist weder nichtig noch handelt es sich um eine unangemessene Benachteiligung (BAG Urteil vom 09.06.2016 – 6 AZR 396/15).
Änderung der Rechtsprechung hinsichtlich der Kürzung des Urlaubs wegen Elternzeit
Gemäß § 17 Absatz 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um 1/12 kürzen.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes war der Arbeitgeber nicht verpflichtet, die vorgenannte Kürzungserklärung im noch bestehenden Arbeitsverhältnis abzugeben; der Arbeitgeber konnte diese Erklärung auch erst im Rechtsstreit um die Zahlung der Urlaubsabgeltung wirksam tätigen. Diese Rechtsprechung hat sich unter Berücksichtigung der europarechtlichen Entscheidungen zum Urlaub geändert. Ausweislich des Bundesarbeitsgerichts, Urteil vom 19.05.2015 - IX AZR 725/13 - muss der Anspruch auf Erholungsurlaub noch bestehen, woran es jedoch fehlt, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist und somit der Arbeitnehmer/Arbeitnehmerin Anspruch auf Urlaubsabgeltung hat. Das Kürzungsrecht im Sinne von § 17 BEEG ist daher nur wirksam vor dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages bzw. noch während der einzuhaltenden Kündigungsfristen auszuüben.
Aktuelles zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses
Ein Berufskraftfahrer darf seine Fahrtüchtigkeit nicht durch die Einnahme von Crystal Meth gefährden. Anderenfalls kann die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt sein. Es macht dabei keinen Unterschied, ob diese Substanz vor oder während der Arbeitszeit konsumiert wurde. Ob die Fahrtüchtigkeit des Arbeitnehmers bei der durchgeführten Fahrt konkret beeinträchtigt war und deshalb eine erhöhte Gefahr im Straßenverkehr bestand, ist unerheblich (BAG Urteil v. 20.10.2016 - 6 AZR 471/15).
Neue Gesetzeslage im Recht des schwerbehinderten Arbeitnehmers
Mit Wirkung zum 30.12.2016 ist eine gesetzliche Änderung zu Gunsten schwerbehinderter Arbeitnehmer in Kraft getreten.
Die Kündigung des Arbeitgebers gegenüber einem schwerbehinderten Menschen ohne eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ist gem. § 95 II 2 SGB IX unwirksam. Dies gilt im Hinblick auf die Stellung im Gesetz auch dann, wenn die Kündigung nicht der Zustimmung des Integrationsamtes (§§ 85 ff., 90 SGB IX) bedürfte, beispielsweise der Arbeitnehmer noch keine sechs Monate im Beschäftigungsverhältnis steht.
Die entsprechenden anderslautenden Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichtes sind damit gegenstandslos.
Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei Kündigung:
Die Schwerbehindertenvertretung ist bei jeder Beendigungs- und Änderungskündigung zu beteiligen. Das gilt auch für Kündigungen in der sechsmonatigen Wartezeit des § 1 I KSchG. Es fehlt an einer ordnungsgemäßen Anhörung der Schwerbehindertenvertretung, wenn diese schon nicht ausreichend unterrichtet worden ist. Die Unterrichtung muss der Schwerbehindertenvertretung ermöglichen, auf die Willensbildung des Arbeitgebers einzuwirken. Dabei gelten die gleichen Grundsätze wie für die Unterrichtung des Betriebsrats. Eine Reduzierung auf „schwerbehindertenspezifische Kündigungsbezüge“ ist nicht möglich. Eine ordnungsgemäße Anhörung liegt auch dann nicht vor, wenn die Schwerbehindertenvertretung zwar ausreichend unterrichtet wird, aber keine genügende Gelegenheit zur Stellungnahme hat; hinsichtlich der Fristen findet § 102 II BetrVG analoge Anwendung. Die Schwerbehindertenvertretung muss – wie der Betriebsrat – Bedenken gegen eine ordentliche Kündigung spätestens innerhalb einer Woche mitteilen. Mangels ordnungsgemäßer Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei der Kündigung ist die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung ausspricht, unwirksam (§ 178 Absatz 2 SGB IX) (BAG-Urteil vom 13.12.2018 – 2 AZR 378/18).
Erbrecht
Mietrecht
Wohnungsmietrecht
Aktuelles zur Mieterhöhung:
Formell unwirksames Mieterhöhungsverlangen, Rückforderungsanspruch des Mieters bei Zahlung bis zu 10 Jahre in die Vergangenheit
Das Landgericht München I hat in seinem Urteil vom 03.07.2021 – 14 S 11480/20 - dem Mieter einen Rückforderungsanspruch hinsichtlich des aufgrund eines nicht wirksamen Mieterhöhungsverlangens bezahlten erhöhten Mietzins bis zu 10 Jahre in die Vergangenheit hinein eingeräumt.
Hintergrund dieser Entscheidung ist, dass der Vermieter ein formell unwirksames Mieterhöhungsverlangen gestellt hatte; der Vermieter hat nicht einmal versucht, die Mieterhöhung gemäß § 558 Abs. 2 BGB ordnungsgemäß zu begründen, vielmehr den Eindruck gegenüber dem Mieter erweckt, er könne die Miete einseitig erhöhen. Das Landgericht München I hat ausgeführt, dass in diesem Fall bei Zahlung des erhöhten Mietzinses nicht konkludent eine Mieterhöhungsvereinbarung zustande gekommen sei. Das Landgericht München I hat dem Mieter daher einen Rückforderungsanspruch der aufgrund des vermeintlichen Mieterhöhungsverlangens bezahlten Miete für einen Zeitraum bis zu zehn Jahren in die Vergangenheit eingeräumt.
Soweit Betriebskosten nach Wohnflächenanteilen umgelegt werden, ist für die Abrechnung der jeweilige Anteil der tatsächlichen Wohnfläche der betroffenen Wohnung an der im gesamten Hausanwesen (Wirtschaftseinheit) tatsächlich vorhandenen Gesamtwohnfläche maßgebend. Dies hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 30.5.2018 - VIII ZR 220/17 - unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung - entschieden. Entscheidend ist somit nicht die Fläche, welche im Mietvertrag ausgewiesen ist oder ein Karenzbereich von 10 % mehr oder weniger, vielmehr die tatsächliche Wohnfläche.
Macht der Vermieter eine Mieterhöhung geltend und bestreitet der Mieter die im Mieterhöhungsverlangen angegebene Wohnfläche pauschal, ist dies nicht ausreichend. Der Mieter muss die seitens des Vermieters vorgetragene Wohnfläche substantiiert bestreiten, da die Wohnfläche in seinem Wahrnehmungsbereich liegt. Der Mieter muss die Wohnfläche der gemieteten Wohnung überschlägig vermessen und seinerseits einen bestimmten abweichenden Flächenwert vortragen. Dies gilt auch für Wohnungen, die Dachschrägen und Loggien aufweisen. Erforderlich ist zumindest eine laienhafte Vermessung (BGH, Urteil vom 31.05.2017 - VIII ZR 181/16).
Aktuelles zur Nutzungsentschädigung nach Beendigung des Mietverhältnisses:
Der Vermieter spricht eine Kündigung aus, der Mieter gibt jedoch die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses dem Vermieter nicht zurück. Die Höhe der sodann ab Beendigung des Mietverhältnisses an den Vermieter zu bezahlenden Nutzungsentschädigung entspricht mindestens der zuletzt geschuldeten Miete. Ist die aktuelle Marktmiete - nicht der ortsübliche Mietzins - höher, so schuldet der Mieter diese. Eine besondere Ankündigung des Vermieters dafür ist nicht erforderlich, der Anspruch zugunsten des Vermieters entsteht automatisch und kann rückwirkend geltend gemacht werden. Begrenzt ist der Anspruch lediglich durch die Höhe der sog. Mietpreisgrenze (§ 556 d BGB) (vgl. BGH-Urteil vom 18.01.2017 VIII ZR 17/16).
Aktuelles zur Eigenbedarfskündigung:
Kündigt ein Vermieter das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs, hat er im Rahmen seiner vertraglichen Pflichten dem Mieter eine andere, ihm während der Kündigungsfrist zur Verfügung stehende vergleichbare Wohnung zur Anmietung anzubieten, sofern sich diese Wohnung im selben Haus oder in derselben Wohnanlage befindet. Die ursprünglich wirksame Eigenbedarfskündigung wird dadurch nicht nachträglich unwirksam. Die Verletzung der oben genannten sogenannten Rücksichtnahmepflicht des Vermieters gegenüber dem Mieter löst jedoch Schadensersatzansprüche in Geld aus (z.B. höhere Umzugskosten oder Maklercourtage) (BGH Urteil vom 14.12.2016 – VIII ZR 232/15).
Der Mieter kann sich bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs jedoch nicht auf einen Verstoß des Vermieters gegen seine Anbietungspflicht berufen, wenn er die Ersatzwohnung gar nicht angemietet hätte (LG Berlin Urteil v. 01.12.2016 – 67 S 323/16).
Aktuelles zur Betriebskostenabrechnung:
Soweit Betriebskosten nach Wohnflächenanteilen umgelegt werden, ist für die Abrechnung der jeweilige Anteil der tatsächlichen Wohnfläche der betroffenen Wohnung an der im gesamten Hausanwesen (Wirtschaftseinheit) tatsächlich vorhandenen Gesamtwohnfläche maßgebend. Dies hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 30.05.2018 - VIII ZR 220/17 - unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden. Entscheidend ist somit nicht die Fläche, welche im Mietvertrag ausgewiesen ist oder ein Karenzbereich von 10 % mehr oder weniger, vielmehr die tatsächliche Wohnfläche.
Der Vermieter muss bei Betriebskostenvorauszahlungen jährlich über die Betriebskosten abrechnen. Die Abrechnung ist dem Mieter spätestens bis zum Ablauf des 12. Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums mitzuteilen. Nach Ablauf dieser Frist ist die Geltendmachung einer Nachforderung durch den Vermieter ausgeschlossen, es sei denn, der Vermieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten (§ 556 III BGB). Der Bundesgerichtshof hat nunmehr entschieden, dass auch der Vermieter einer Eigentumswohnung innerhalb dieser Frist über die Betriebskosten abzurechnen hat, wenn auch der Beschluss der Wohnungseigentümer über die Betriebskosten noch nicht vorliegt (BGH Urteil vom 25.01.2017 – VIII ZR 249/15).
Aktuelles zu Kaution und Betriebskosten:
Betriebskostennachforderungen aus Jahresabrechnungen des Vermieters, welche bereits verjährt sind, können nicht bei der Kautionsabrechnung aus der Mietkaution befriedigt, das heißt abgezogen werden (BGH Urteil v. 20.07.2016 – VIII ZR 263/14).
Aktuelles zu Schönheitsreparaturen:
Wohnung renoviert oder unrenoviert bei Mietvertragsbeginn?
Entscheidend ist nach aktueller Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), ob bei Beginn des Mietverhältnisses die Wohnung renoviert oder unrenoviert gewesen ist. Der BGH hat insoweit ausdrücklich seine jahrzehntelange Rechtsprechung aus dem Jahr 1987 (im Jahr 2004 bzw. 2008 noch bestätigt) aufgegeben.
So hat der BGH entschieden (BGH 18.03.2015 – VIII ZR 185/14), dass die formularvertragliche Überwälzung der Verpflichtung zur Vornahme laufender Schönheitsreparaturen einer dem Mieter unrenoviert oder renovierungsbedürftig überlassenen Wohnung der Inhaltskontrolle nach den einschlägigen Regeln im BGB nicht standhält, sofern der Vermieter dem Mieter keinen angemessenen Ausgleich gewährt.
Unrenoviert oder renovierungsbedürftig ist eine Wohnung nach der aktuellen Rechtsprechung nicht erst dann, wenn sie übermäßig stark abgenutzt oder völlig abgewohnt ist. Maßgeblich ist, ob die dem Mieter überlassene Wohnung Gebrauchsspuren aus einem vorvertraglichen Zeitraum aufweist, wobei solche Gebrauchsspuren außer Acht bleiben, die so unerheblich sind, dass sie bei lebensnaher Betrachtung nicht ins Gewicht fallen. Es kommt letztlich darauf an, ob die überlassenen Mieträume den Gesamteindruck einer renovierten Wohnung vermitteln. Diese Beurteilung – so der BGH – obliegt in erster Linie dem Tatrichter bei einer Gesamtschau unter umfassender Würdigung aller für die Beurteilung des Einzelfalles maßgeblichen Umstände.
Der BGH weist in seiner Begründung darauf hin, dass der Vermieter die Mieträume bei Vertragsbeginn nicht stets komplett frisch renovieren muss, um vorvertraglichen Abnutzung – und Gebrauchsspuren zu beseitigen. Im Einzelfall kann nach Ansicht des Bundesgerichtshofs die Vornahme geringer Auffrischungsarbeiten genügen, es kommt danach letztlich darauf an, ob die überlassenen Mieträume den Gesamteindruck einer renovierten Wohnung vermitteln. Rechtsstreitigkeiten sind meines Erachtens somit vorprogrammiert.
Beruft sich der Mieter auf die Unwirksamkeit der Renovierungsklausel obliegt es dem Mieter dazulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, dass die Wohnung bei Mietbeginn unrenoviert oder renovierungsbedürftig war.
Bezüglich eines angemessenen Ausgleichs hat in dem gegenständlichen Urteil der Bundesgerichtshof den Erlass der Mietzahlung für zwei Wochen, da auch Streicharbeiten in drei Zimmern seitens des Mieters vorzunehmen waren, nicht für ausreichend erachtet.
Das Landgericht Berlin hat zwischenzeitlich entschieden, dass durch den finanziellen Ausgleich der Mieter so gestellt werden muss, als sei ihm renovierter Wohnraum überlassen worden, im konkreten Fall durch den Erlass der ersten monatlichen Nettokaltmiete ( LG Berlin U. v. 02.10.2015 - 63 S 335/14)? Dagegen hat das Landgericht Berlin einen Betrag in Höhe von 200,00 DM für nicht ausreichend erachtet (LG Berlin U. v. 09.02.2016 – 63 S 216/14).
Kein Vertrauensschutz für Altverträge!
Kein Vertrauensschutz für alte Verträge, die nach der damals gültigen Rechtsprechung geschlossen waren (ausdrücklich in BGH VIII ZR 185/14 Seite 18 Ziffer 39, 40)
…die streitigen Klauseln sind nicht unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes für das hier gegebene Vertragsverhältnis als wirksam zu behandeln… zwar hat der Senat in früheren Entscheidungen Vornahmeklauseln auch bei unrenoviert oder renovierungsbedürftig überlassenen Wohnungen als wirksam erachtet. Selbst in Fällen, in denen eine vergleichbare Klausel zuvor nicht beanstandet worden ist, hat ihr Verwender aber – unbeschadet besonders gelagerter Sachverhalte – im Allgemeinen das Risiko zu tragen, dass die Klausel in späteren höchstrichterlichen Entscheidungen wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners als unwirksam beurteilt wird… An die Stelle der unwirksamen Klausel tritt… Die dispositive gesetzliche Bestimmung des §§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB. Das bedeutet, dass der Vermieter mangels wirksamer Abwälzung der Schönheitsreparaturen die Instandhaltungslast in vollem Umfang zu tragen hat (s.t. Rechtsprechung…)
Wirksamkeit der Quotenklausel?
Auch die sog. Quotenklausel war Gegenstand eines anderen Urteils des BGH vom 18.03.2015 (VIII ZR 242/13). Der BGH hat insoweit an seiner früheren Rechtsprechung zur Wirksamkeit formularmäßiger Quotenabgeltungsklausel (zuletzt im Jahr 2007) nicht mehr festgehalten. Die einschlägige Klausel lautete:
"§ 8 Schönheitsreparaturen
1. Der Mieter verpflichtet sich, Schönheitsreparaturen nach Maßgabe von Ziffer 2 und 3 durchzuführen. Schönheitsreparaturen umfassen das Anstreichen, Kalken oder Tapezieren der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden und den Innenanstrich der Fenster, das Streichen der Türen, Heizkörper, Versorgungsleitungen sowie sämtliche anderen Anstriche innerhalb der gemieteten Räume einschließlich derjenigen an Einbaumöbeln.
2. Die Schönheitsreparaturen sind fachgerecht, dem Zweck und der Art der Mieträume entsprechend regelmäßig auszuführen, wenn das Aussehen der Wohnräume mehr als nur unerheblich durch den Gebrauch beeinträchtigt ist. Dies ist im Allgemeinen nach folgenden Zeitabständen der Fall: in Küche, Bädern und Duschen alle 3 Jahre, in Wohn- und Schlafräumen, Fluren, Dielen und Toiletten alle 5 Jahre, in allen anderen Nebenräumen alle 7 Jahre. Die Erneuerung der Anstriche von Fenstern, Türen, Heizkörpern, Versorgungsleitungen und an Einbaumöbeln ist regelmäßig nach 6 Jahren erforderlich, wenn das Aussehen mehr als nur unerheblich durch den Gebrauch beeinträchtigt ist.
3. Abgeltung bei Auszug (Quotenklausel):
Sind bei Beendigung des Mietverhältnisses einzelne oder sämtliche Schönheitsreparaturen noch nicht fällig, so hat der Mieter die zu er-wartenden Kosten zeitanteilig an den Vermieter im Allgemeinen nach folgender Maßgabe (Quote) zu bezahlen: Liegen die letzten Schönheitsreparaturen gerechnet ab Übergabe der Mietsache während der Mietzeit bei den Nassräumen (Küchen, Bädern und Duschen) länger als ein Jahr zurück, so zahlt der Mieter 33,33 % der Kosten; liegen sie länger als 2 Jahre zurück 66,66 %. Liegen die letzten Schönheits-reparaturen während der Mietzeit bei den Wohn- und Schlafräumen, Fluren, Dielen und Toiletten länger als ein Jahr zurück, so zahlt der Mieter 20 % der Kosten, liegen sie länger als 2 Jahre zurück 40 %, länger als 3 Jahre 60 %, länger als 4 Jahre 80 %. Liegen die letzten Schönheitsreparaturen während der Mietzeit bei allen anderen Nebenräumen länger als ein Jahr zurück, so zahlt der Mieter 14,28 % der Kosten, liegen sie länger als 2 Jahre zurück 28,56 %, bei mehr als 3 Jahren 42,84 %, bei mehr als 4 Jahren 57,12 %, bei mehr als 5 Jahren 71,40 %, und bei mehr als 6 Jahren 85,68 %. Liegen die letzten Schönheitsreparaturen während der Mietzeit für Fenster, Türen, Heizkörper, Versorgungsleitungen und an Einbaumöbeln länger als ein Jahr zurück, so zahlt der Mieter 16,66 % der Kosten, nach 2 Jahren 33,33 %, nach 3 Jahren 50 %, nach 4 Jahren 66,66 %, nach 5 Jahren 83,33 %.
Dem Mieter bleibt es unbenommen nachzuweisen, wann und in welchem Umfang die Wohnung zuletzt renoviert wurde und dass der Zustand der Wohnung eine Verlängerung der oben genannten Fristen zulässt. Führt der Mieter diesen Nachweis, so hat der Vermieter die Quote nach billigem Ermessen angemessen zu senken.
Die Berechnung erfolgt aufgrund eines Kostenvoranschlags eines vom Vermieter auszuwählenden Malerfachbetriebs. Dem Mieter bleibt es unbenommen, den Kostenvoranschlag des Vermieters anzuzweifeln, indem er den Kostenvoranschlag eines anderen Malerfachbetriebs beibringt. ?Der Mieter hat die Möglichkeit, selbst zu renovieren und seine Zahlungspflicht abzuwenden. Die Schönheitsreparaturen müssen fachgerecht in mittlerer Art und Güte ausgeführt werden. Ist der Mieter einer entsprechenden Aufforderung mit Fristsetzung nicht oder nur unzureichend nachgekommen, so hat er die entsprechende Quote gemäß Kostenvoranschlag zu zahlen.
4. Die Fristen gemäß Ziffer 2 und 3 beginnen ab Übergabe der Mietsache zu laufen. Sie beginnen für die einzelnen Räume nach fachgerechter Erledigung der Arbeiten jeweils wieder neu. Der Mieter kann nachweisen, dass die Mietsache nach Ablauf der genannten Fristen noch nicht renovierungsbedürftig ist."
Auch diesbezüglich hat der BGH nunmehr entschieden, dass Quotenabgeltungsklauseln den Mieter unangemessen benachteiligen und daher unwirksam sind. Grund dafür ist, dass sie von den Mietern bei Vertragsschluss verlangen, zur Ermittlung der auf ihn zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung zukommenden Kostenbelastung mehrfach hypothetische Betrachtungen anzustellen, die eine sichere Einschätzung der tatsächlichen Kostenbelastung nicht zulassen.
Folge dieser Rechtsprechung ist auch beispielsweise die Rechtsauffassung des Landgerichts München; danach ist eine formularmäßige Verpflichtung des Mieters, einen Kostenbeitrag zu den - seitens des Vermieters durchzuführenden Schönheitsreparaturen - zu leisten unwirksam ist (LG München I Beschluss v. 07.04.2016 – 31 S 3878/16).
Unwirksamkeit der gesamten Klausel bei Unwirksamkeit bei Einzelaspekten?
Ebenfalls in einer am 18.03.2015 anderweitigen Entscheidung des BGH ( VIII ZR 21/13 ) wurde die gesamte Schönheitsreparaturenklausel für unwirksam erklärt, da nur ein Teil der Klausel, welche sogar mit einer eigenen Unterziffer betitelt war, unwirksam gewesen ist.
Dies gilt laut dem BGH auch, wenn die inhaltliche Ausgestaltung der einheitlichen Rechtspflicht in verschiedenen, sprachlich voneinander unabhängigen Klauseln des Mietvertrages geregelt ist.
Aktuelles zum Kündigungsrecht:
Ist eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses auch bei unpünktlicher Mietzahlung durch das Jobcenter möglich
Unter gewissen Voraussetzungen ist der Vermieter auch zur Kündigung berechtigt, wenn der Mieter die Miete unpünktlich zahlt. In einer aktuellen Entscheidung hat sich der Bundesgerichtshof damit befasst, ob und inwieweit dies auch möglich ist, wenn das Jobcenter die Miete bezahlt. Entscheidend ist nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs, eine Interessenabwägung dahingehend, ob dem Vermieter die weitere Fortsetzung des Mietverhältnisses noch zugemutet werden kann (BGH Urteil vom 29.06.2016 – VIII ZR 173/15).
Das Amtsgericht Nürnberg hat eine außerordentliche Kündigung des Vermieters gegenüber dem Mieter für gerechtfertigt angesehen, da der Mieter trotz entsprechender mehrfacher Abmahnung das Füttern von Tauben aus dem Fenster seiner Mietwohnung nicht eingestellt hat. Der Mieter hat nach dem Amtsgericht Nürnberg durch sein Verhalten den Hausfrieden in dem Wohnanwesen nachhaltig gestört (AG Nürnberg, Urteil vom 08.04.2016 – 14 C 7772/15).
Aktuelles zur Rechtzeitigkeit der Mietzahlung:
§ 556 b Abs. 1 BGB sieht bei Wohnraummietverhältnissen vor, dass die Miete zu Beginn, spätestens bis zum dritten Werktag der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten ist, nach denen sie bemessen ist.
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 05.10.2016, Az. VIII ZR 222/15, im Rahmen eines Wohnraummietverhältnisses entschieden, dass es für die Rechtzeitigkeit der Mietzahlung im Überweisungsverkehr nicht darauf ankommt, dass die Miete bis zum dritten Werktag des vereinbarten Zeitabschnitts auf dem Konto des Vermieters eingegangen ist, sondern dass es genügen soll, dass der Mieter – vorausgesetzt, er verfügt über ein ausreichend gedecktes Konto - seinem Zahlungsdienstleister den Zahlungsauftrag bis zum dritten Werktag des vereinbarten Zeitabschnitts erteilt hat.
Im Rahmen der vorgenannten Entscheidung des BGH reichte es somit für eine pünktliche Mietzahlung aus, dass der Mieter die Leistungshandlung, sprich den Überweisungsauftrag, jeweils rechtzeitig vorgenommen hatte und sein Konto dabei ausreichend gedeckt war. Ein späterer Eingang der Miete auf dem Konto des Vermieters war dann irrelevant.
Nach Ansicht des Gerichtes folge aus dem Wortlaut des § 556 b Abs. 1 BGB nicht zwangsläufig, dass eine im Überweisungsverkehr gezahlte Miete bereits am dritten Werktag des Monats auf dem Bankkonto des Vermieters eingegangen sein muss. Der Mieter trägt zwar bei Geldleistungen die Verlustgefahr, nicht jedoch die Gefahr, dass sich die Übermittlung des Geldes durch den Zahlungsdienstleister verzögert.
Gewerbemietrecht
Einstellung oder Verringerung der Mietzinszahlung durch Gewerbemieter in der COVID-19-Pandemie
Endlich Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes mit Urteil vom 12.01.2022 - XII ZR 8/21 und 16.02.2022 - XII ZR 17/21
Die Corona bedingten Schließungsanordnungen im Frühjahr 2020 haben dazu geführt, dass gewerbliche Mieter, insbesondere im Bereich Einzelhandel und Gastronomie, Miete nicht bzw. lediglich vermindert gezahlt haben.
Der Bundesgerichtshof hat erstmals mit Urteil vom 12.01.2022 - XII ZR 8/21 bezüglich dieser rechtlichen Situation entschieden.Zwischenzeitlich liegt ein weiteres Urteil vom 16.02.2022 - XII ZR 17/21 vor.
Der BGH hat zwar die durch die Covid 19 pandemiebedingte Schließung eines Einzelhandelsgeschäftes nicht als Mangel der Mietsache im Sinne des Gesetzes (§ 536 Abs. 1 S. 1 BGB) qualifiziert.
Der BGH hat jedoch bei einer Geschäftsschließung, die auf einer behördlichen Maßnahme zur Bekämpfung der Covid 19 Pandemie beruht, grundsätzlich einen Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB) bejaht.
Im Gegensatz zu der vorgängigen Rechtsprechung des Oberlandesgericht Dresden (siehe nachfolgend) hat der BGH in seinem Urteil vom 12.01.2022 jedoch eine pauschale Betrachtungsweise bei der Frage, ob dem Mieter ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist, abgelehnt. Maßgeblich sind laut dem BGH vielmehr sämtliche Umstände des Einzelfalles.
Bei der danach vorzunehmenden Abwägung ist von Bedeutung, welche Nachteile dem Mieter durch die Geschäftsschließung und deren Dauer entstanden sind. Es wird sich dabei im Wesentlichen um einen konkreten Umsatzrückgang für die Zeit der Schließung handeln; abzustellen ist dabei auf das konkrete Mietobjekt, nicht einen möglichen Konzernumsatz. Zu berücksichtigen kann auch sein – so der BGH –, welche Maßnahmen der Mieter ergriffen hat oder ergreifen konnte, um die drohenden Verluste während der Geschäftsschließung zu vermindern. Es darf dabei nicht zu einer Überkompensierung der entstandenen Verluste kommen. Daher sind die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich dieser pandemiebedingten Nachteile erlangt hat; bloße Unterstützungsmaßnahmen auf der Basis eines Darlehens bleiben jedoch außer Betracht. Berücksichtigt werden können jedoch Leistungen einer einstandspflichtigen Betriebsversicherung. Entscheidend ist jedoch, dass der BGH eine „tatsächliche Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Mieters … nicht erforderlich“ gehalten hat.
Bei der Abwägung sind auch die Interessen des Vermieters zu berücksichtigen. Darlegungs– und beweispflichtig für die Nachteile aus der Betriebsschließung sowie der unternommenen zumutbaren Anstrengungen, um drohende Verluste auszugleichen, ist der Mieter. Entsprechendes gilt für die Behauptung, keine staatlichen Unterstützungsleistungen erhalten zu haben, gegebenenfalls das vergebliche Bemühen um solche.
Vorgenannte Rechtsansicht hat der BGH letztendlich in seiner Entscheidung vom 16.02.2022 bestätigt, präzisiert jedoch in einzelnen Punkten. Der BGH betont, dass die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen auf pandemiebedingten hoheitlichen maßnahmen beruhen müssen, die den jeweiligen Betrieb konkret erfassen. Als solche qualifiziert die Entscheidung neben der Anordnung von Betriebsschließungen auch die in Bezug zur Geschäftsfläche gesetzten Begrenzungen der Personenzahl oder die Beschränkung des Zugangs auf Personen mit einem bestimmten Impfstatus.
Umsatzrückgänge, die jedoch ihre Ursache in der aufgrund unternehmerischer Entscheidung erfolgten Verkürzung der Ladenöffnungszeiten haben, werden ebenso wie allgemeine Kaufzurückhalung der Kunden (z.B. durch die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes) nicht als einschlägig angesehen. Bei der vorzunehmenden Abwägung, ob ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag zumutbar ist, sind sämtliche Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen; insoweit stellt der BGH klar, dass dabei kein Regel-Ausnahme-Verhältnis anzunehmen ist, das von einer Herabsetzung der Miete um die Hälfte ausgeht und derjenigen Vertragspartei, die Abweichungen hiervon begehrt, die Darlungs- und Beweislast auferlegt.
Bei den für den Vermieter zu berücksichtigenden Umständen führt der BGH aus, es könne auch von Bedeutung sein, inwieweit der Vermieter wirtschaftlich auf die Miete angewiesen ist.
Zusammenfassend muss für Mieter und Vermieter dringend empfohlen werden, im konkreten Fall eine Prüfung des Sachverhalts, insbesondere des jeweils zugrunde liegenden Mietvertrages und der dort getroffenen Regelungen sowie der sonstigen tatsächlichen Umstände (z.B. Mietsache als Lager, Möglichkeit des online Handels, Click und Collect, staatliche Hilfen, Abstellen auf die konkrete Filiale, Versicherbarkeit, noch verkaufbare Ware/Nachholeffekte, Zumutbarkeit der Bildung von Rücklagen in der Vergangenheit) vornehmen zu lassen, um nicht unliebsame Rechtsnachteile erleiden zu müssen.
Vorgängige Rechtsprechung:
Das OLG München hat in einem ausführlichen Hinweisbeschluss vom 17.02.2021 - 32 U 6358/20 folgende Rechtsauffassung eingenommen: Die pandemiebedingte Betriebsuntersagung im Frühjahr 2020 hat nicht zu einem Mangel der Mietsache und damit einem Minderungsanspruch bezgl. der Miete geführt; das aus der behördlichen Untersagung der Öffnung des Einzelhandelsgeschäfts resultierende Gebrauchshindernis beruht nicht auf der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts. Es lag auch kein Fall der Unmöglichkeit vor. Die Betriebsuntersagung anlässlich der Corona Pandemie betrifft nach Auffassung des OLG München jedoch die sogenannte große Geschäftsgrundlage, sodass die Regelungen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 I BGB) grundsätzlich anwendbar sind; es kommt nicht darauf an, ob das Festhalten an dem Vertrag den Mieter in eine die wirtschaftliche Existenz bedrohliche Lage bringt. Das Oberlandesgericht München weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass die Anpassung des Mietvertrages (Mietzinsreduzierung oder bloße Stundung) nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage dann ausscheidet, wenn bereits der Mietvertrag nach seinem gegebenenfalls durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt Regelungen über das Fehlen, den Wegfall oder die Veränderung bestimmter Umstände enthält; dies kann sich danach auch aus der Mietstruktur oder auch dem Datum des Vertragsabschlusses ergeben. Weiter weist das Oberlandesgericht München ausdrücklich darauf hin, dass grundsätzlich für jeden Vertrag und für jede konkrete Situation gesondert bestimmt werden muss, ob eine erhebliche Grundlagenstörung vorliegt. Bei einer Dauer der Schließung von 5 Wochen sieht das Oberlandesgericht dies jedoch als schwerwiegende Änderung der Umstände an. Das Oberlandesgericht München weist weiter darauf hin, dass allein der Wegfall der Geschäftsgrundlage noch nicht zu einer Vertragsanpassung berechtigt. Es muss hinzukommen, dass dem betroffenen Vertragspartner (Mieter) unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Die Anwendung muss auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben, bei denen ein Festhalten an der vereinbarten Regelung zu einem untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin unvereinbaren Ergebnis führen würde. Dafür ist eine umfassende Interessenabwägung unter Würdigung aller Umstände, insbesondere auch der Vorteile, die der betroffenen Partei neben den Nachteilen aus den eingetretenen Veränderungen erwachsen sind, erforderlich. Das Oberlandesgericht München widersetzt sich dabei der Herabsetzung der Miete nach einem objektiven Schema wie beispielsweise der hälftigen Herabsetzung unter vorheriger Anrechnung von tatsächlich erfolgten oder nur möglichen Hilfeleistungen. Das erforderliche Abstellen auf den konkreten Fall bedeutet danach nicht nur, dass die tatsächlichen oder möglichen Hilfsleistungen für den Mieter in eine feststehende Formel eingefügt werden, vielmehr erfordert eine Betrachtung aller konkreten Umstände des Einzelfalls auch gerade die Beachtung der wirtschaftlichen Situation des Mieters und auch des Vermieters. Dabei kann es – so das Oberlandesgericht München – eine Rolle spielen, wie viele Jahre der Mietvertrag schon besteht und wie der Umsatz und Gewinn der letzten Jahre waren, sodass eine Möglichkeit bestand, Rücklagen zu bilden. Da die wirtschaftliche Situation des Mieters zu berücksichtigen ist, kann es bei einem Konzern sogar auf die Konzernmutter ankommen. Letztendlich kann nach einer solchen Betrachtung auch die bloße Stundung der Miete geboten sein, nicht eine Reduzierung. Der Mieter hat die Umstände vorzutragen, wonach die Mietzahlung für ihn aus wirtschaftlichen Gründen untragbar ist. Im konkreten Fall moniert das Oberlandesgericht München auch, der Mieter habe nicht vorgetragen, ob überhaupt staatliche Leistungen beantragt habe. Das Oberlandesgericht differenziert zwischen den verschiedenen Corona - Hilfeprogrammen. Im konkreten Fall hat der die Berufung gegen das Urteil 1. Instanz einlegende Mieter aufgrund des Hinweisbeschlusses des Oberlandesgerichts seine Berufung zurückgenommen.
Bezüglich des nachbenannten Urteils des Landgerichts Heidelberg liegt das Berufungsurteil des OLG Karlsruhe vom 24.02.2021 – 7 U 109/20 vor. Danach ist die coronabedingte Schließungsanordnung eines Geschäfts weder ein Sachmangel der Mietsache (es fehlt danach am erforderlichen sogenannten Objektbezug der behördlichen Schließungsanordnung) noch eine Unmöglichkeit der Leistungserbringung des Vermieters; das Oberlandesgericht betont, dass das Verwendungsrisiko grundsätzlich der Mieter trägt. In Betracht kommt - so das Oberlandesgericht – jedoch eine Anpassung des Mietzinses unter Berücksichtigung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB). Ausweislich dieses Urteils setzt jedoch „die Annahme der Unzumutbarkeit der Mietzahlung … eine Würdigung der Umstände des Einzelfalls voraus, bei der der Rückgang der Umsätze, mögliche Kompensation durch online-Handel, öffentliche Leistungen, ersparte Aufwendungen, z.B. durch Kurzarbeit oder Vermögenswerte durch nicht verkaufte und noch verkaufbare Waren zu berücksichtigen sind“ voraus. Bei seiner Beurteilung berücksichtigt das Oberlandesgericht auch die seit 31.12.2020 geltende - weiter unten beschriebene - neue Gesetzesregelung. Im konkret entschiedenen Fall hatte der Mieter die aus der Sicht des Oberlandesgerichts erforderliche Darlegung einer Existenzgefährdung und damit eine zur Unzumutbarkeit führenden wirtschaftlichen Beeinträchtigung nicht dargelegt. Der Mieter hatte isoliert mit Umsatzeinbußen argumentiert, staatliche Hilfen zugunsten des Mieters (im Gegensatz zum Vermieter), wie das Kurzarbeitergeld, noch verkäufliche Warenvorräte mit gegebenenfalls entsprechendem Nachholeffekt nach Öffnung (anders gegebenenfalls im Bereich der Gastronomie und Veranstaltungsbranche) müssen jedoch ebenfalls in die Betrachtung eingestellt werden.
Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde zugelassen.
Das OLG Dresden hat in seinem Urteil vom 24.02.2021 – 5 U 1782/20 - dieses Urteil ist durch den BGH mit Urteil vom 12.01.2022 - XII ZR 8/21 aufgehoben und zur weiteren Verhandlung/Entscheidung zurückverwiesen worden – keinen zur Minderung der Miete führenden Mangel angenommen, jedoch eine Störung der Geschäftsgrundlage des Mietvertrages bejaht; aus diesem Grund wurde die vertraglich vereinbarte Kaltmiete für den Zeitraum der Schließungsanordnung auf die Hälfte reduziert. Das Oberlandesgericht Dresden geht in seiner Entscheidung davon aus, dass bei einem Zeitraum einer staatlichen Schließungsanordnung von insgesamt mehr als einem Monat die Schwelle der Erheblichkeit überschritten sei, es auf die Frage, inwieweit die wirtschaftliche Existenz der belasteten Vertragspartei durch die Störung der Geschäftsgrundlage betroffen wird, es wegen dieser Dauer nicht ankommen würde. Das Oberlandesgericht lässt dabei bewusst offen, ob die Zahlung staatliche Hilfen an einen der Vertragspartner des Mietvertrages zu einer weiteren Anpassung der Höhe der Miete führen würde. Den Sachvortrag des Mieters, wie seitens des Oberlandesgerichts Karlsruhe oder aber des Landgericht München I in seiner Entscheidung vom 12.02.2021 hält das Oberlandesgericht Dresden offensichtlich nicht für erforderlich. Die Revision zum Bundesgerichtshof ist zugelassen.
Das KG Berlin hat in seinem Urteil vom 01.01.2021 – 8 U 1099/20 (noch nicht rechtskräftig) - bisher liegt wohl lediglich eine Pressemitteilung vom 16.04.2021 vor - ebenfalls eine Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB angenommen. Im Unterschied zu dem Hinweisbeschluss des OLG München bzw. der Entscheidung des OLG Karlsruhe geht das Kammergericht Berlin davon aus, dass eine konkrete Existenzbedrohung für den Mieter anhand seiner betriebswirtschaftlichen Daten nicht positiv festgestellt werden muss, sondern die unter Umständen existenziell bedeutsamen Folgen im Sinne der Rechtsprechung des BGH auch dann zu vermuten seien, wenn eine angeordnete Schließung einen Monat oder länger andauere. Das Kammergericht Berlin geht davon aus, dass die aufgrund der Pandemie staatlich angeordnete Schließung einen derart tiefgreifenden, unvorhersehbaren, außerhalb der Verantwortungssphäre beider Vertragsparteien liegenden und potentiell existenzgefährdenden Eingriff in die im Vertrag vorausgesetzte Nutzungsmöglichkeit darstellt, dass – unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls – die Nachteile solidarisch von beiden Vertragsparteien zu tragen seien und die Miete daher bei vollständiger Betriebsuntersagung zur Hälfte zu reduzieren sei.
Das KG Berlin hat sich in seinem Beschluss vom 11.03.2021 – 8 U 1106/20 (gegenständlich war eine einstweilige Einstellung der Vollstreckung des Räumungs– und Herausgabeanspruchs gegen Sicherheitsleistung um 6 Monate) mit einer Kündigung des Mietverhältnisses während des Kündigungsmoratoriums in Art. 240 § 2 EGBGB bezüglich des ausstehenden Miete April und Mai 2020 auseinandergesetzt. Ein Einsatz von Mietervermögen zum Aufbringen der Miete ist nach Auffassung des Kammergerichts Berlin nur dann zu fordern, wenn es liquide vorhanden ist und sein Einsatz dem Mieter unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Unsicherheiten der Pandemiezeit und im Interesse des Unternehmensfortbestandes zuzumuten ist; eine Pflicht, sogleich alle Reserven auf zu brauchen, hat das Kammergericht Berlin nicht angenommen. Der Mieter hatte durch Vorlage des Monatsreporting glaubhaft gemacht, dass ein Zusammenhang von Pandemie und Nichtleistung der Mieten gegeben war. In dieser Entscheidung – eine Hotelimmobilie – hat das Kammergericht Berlin es für nicht ausgeschlossen erachtet, dass wegen des Verbots touristischer Beherbergung und daraus folgenden Wegfalls der wesentlichen Umsätze eine Mietreduzierung i.H.v. 50 % der vereinbarten Miete angemessen ist.
Das OLG Nürnberg hat lediglich im Rahmen eines Beschlusses zur Einstellung der Räumungsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung – ohne diese Frage dann abschließend zu beantworten – ausgeführt, dass in der rechtlichen Diskussion mit beachtlichen Gründen vertreten würde, dass dann, wenn z.B. ein als Gaststätte, als Hotel, als Freizeiteinrichtungen oder als Seminarraum angemietetes Objekt aufgrund öffentlich – rechtlicher Vorschriften schließen muss, die Mietsache mangelhaft und der Mieter von der Entrichtung der Miete nach § 536 Abs. 1 S. 1 BGB befreit wäre (OLG Nürnberg Beschluss vom 19.10.2020 – 13 U 3078/20).
Das Landgericht München I hat in einem weiteren Verfahren mit Urteil vom 12.02.2021 (Az. 31 O 11516/20) das Vorliegen eines Mangels unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Zusammenhang mit dem Rauchverbot in Gaststätten (Urteil vom 13.07.2011 – XII ZR 189/09) abgelehnt; in dem Urteil des Landgericht München I wird jedoch der Anwendungsbereich der Norm des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) bejaht, das Gericht setzt sich dabei bereits mit der zum 31.12.2020 in Kraft getretenen neuen gesetzlichen Regelung (siehe unten) auseinander. Für den konkreten Sachverhalt – streitgegenständlich waren nur die Monatsmiete April 2020 – hat das Landgericht München I aufgrund der konkreten Sachverhaltskonstellation jedoch eine Vertragsanpassung und damit eine Reduzierung der Miete abgelehnt. Das Landgericht München I geht jedoch an sich als Ausgangspunkt von einer Risikoverteilung der Pandemie von einer Quote von 50:50 aus, betont aber, dass die Festlegung der Quote einer konkreten Begründung auf Basis der Umstände des Einzelfalls bedarf. Unter Berücksichtigung dieser Einzelfallumstände kommt das Gericht für die konkrete Forderung dazu, dass eine Reduzierung der Miete abzulehnen ist.
Das Landgericht München I hat in seinem Urteil vom 25.01.2021 (Az. 31 O 7743/20) zu einer Hotelschließung und ausstehenden Mieten entschieden. Das Hotel war vollständig geschlossen, obwohl es ausweislich der geltenden Infektionsschutzverordnung für Geschäftskunden offenstehen hätte können. Wiederum wurde das Vorliegen eines Mangels verneint, die Störung der Geschäftsgrundlage grundsätzlich bejaht. Das Gericht nahm insoweit als Ausgangspunkt der Risikoverteilung zwischen den Parteien eine Quote von 50 zu 50 an. Interessant sind jedoch die Ansätze des Landgericht München I, woraus sich letztendlich im konkreten Fall kein Anspruch auf Reduzierung des Mietzinses zulasten des Mieters ergeben hat. Zulasten des Mieters des Hotels wurde gewertet, dass dieser das Hotel ganz geschlossen hatte, obwohl die Möglichkeit der zumindest teilweisen Belegung mit Geschäftskunden bestanden hätte; das Gericht verglich insoweit die mögliche Auslastung mit dem Einwand mit dieser Belegung wären höhere Verluste entstanden als bei einer Schließung. Weiter bewertete das Gericht inwieweit der Rückgang von Buchungen gar nicht von der Corona Pandemie beeinflusst war. Weiter nahm das Gericht einen Abschlag vor, weil der Mieter weiterhin den Besitz über die Hotelräume hatte, sodass er in dieser Zeit Verbesserungen oder sonstige Maßnahmen im Innenbereich hätte vornehmen können, die während eines regulären Betriebs vermieden werden; insoweit setzte das Gericht 5 % der Risikoverteilung zulasten des Mieters an. Entscheidend argumentierte das Gericht jedoch damit, dass dem Mieter zumutbar gewesen wäre, in der Vergangenheit Rücklagen zu bilden, die einem Anteil von 20 % aus der Summe des EBITDA der letzten 3 Jahre entsprechen und dieser Betrag anlasslos bei Nachfrage – bzw. Umsatzrückgängen einzusetzen wäre. Nur dann ist nach dem Urteil gewährleistet, dass unternehmerisches Risiko und unternehmerische Vorteile im Verhältnis zur anderen Vertragspartei angemessen berücksichtigt werden. Auf dieser Basis wurde letztendlich eine Vertragsanpassung in Form von Mietreduzierung abgelehnt.
Schriftform im Gewerbemietvertrag:
Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27.09.2017 (XII ZR 114/16), veröffentlicht am 07.11.2017, sind Schriftformheilungsklauseln in Mietverträgen per se unwirksam. Nach der einschlägigen Gesetzeslage bedarf ein Mietvertrag, welcher für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr befristet abgeschlossen ist, der Schriftform (§ 550 BGB). Mietverträge, die einen so genannten Schriftformmangel aufweisen, können daher jederzeit, frühestens jedoch zum Ablauf eines Jahres seit Überlassung der Mietsache, von beiden Vertragsparteien mit der ordentlichen gesetzlichen Kündigungsfrist gekündigt werden; Ausnahmen können lediglich in engen Fällen des Verstoßes gegen Treu und Glauben vorliegen. Im Einzelnen: Da der Bundesgerichtshof (BGH) an die Wahrung der Schriftform in vorgenanntem Sinn in der Vergangenheit immer unterschiedliche Anforderungen gestellt hat, wurde üblicherweise – entsprechend der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Braunschweig, Dresden, Frankfurt und Köln – eine sogenannte Schriftformheilungsklausel im Mietvertrag vorgesehen. Letztendlich sollte dadurch versucht werden, eventuelle sogenannte Schriftformmängel bzw. spätere Schriftformverstöße zu heilen. Derartige Schriftformheilungsklauseln sind in fast allen Gewerbemietverträgen beinhaltet. Der Bundesgerichtshof hat nunmehr in seiner Entscheidung vom 27.09.2017 (XII ZR 114/16) entschieden, dass derartige Schriftformheilungsklauseln in jedem Fall unwirksam sind. Es handelt sich dabei um die erste diesbezüglich eindeutige Entscheidung des Bundesgerichtshofs außerhalb des sogenannten Erwerberfalles. Dies bedeutet, dass die in einem Mietvertrag verwandte Schriftformheilungsklausel unabhängig davon, ob sie lediglich formularvertraglich gestellt oder auch individualvertraglich ausgehandelt worden ist, unwirksam ist. Letztendlich besteht daher die Gefahr, dass bei mündlichen oder gegebenenfalls schriftlichen Änderungen des Inhalts des ursprünglichen Mietvertrages ein Verstoß gegen die Schriftform angenommen werden könnte, mit der Folge, dass ordentliche Kündbarkeit des auf lange Zeit befristeten Mietvertrages droht. Erfahrungsgemäß werden nach Unterzeichnung des ursprünglichen Mietvertrages oftmals während der Laufzeit dessen mündliche oder schriftliche Absprachen zwischen den Mietvertragsparteien getroffen, welche nicht in Form eines der Rechtsprechung des BGH genügenden Nachtrags eingebunden werden. In der Praxis fast üblich ist es, ohne entsprechenden ordnungsgemäßen Nachtrag Regelungen im Übergabeprotokoll (z.B. zu abweichender Ausgestaltung der Mietsache, Veränderung des Beginns des Mietverhältnisses, Nachlass von Mietzinsen, Abweichung von der ursprünglich vereinbarten Baubeschreibung) oder sonstige Abreden (wie z.B. Stellplatztausch, Tausch von Kellerbereichen, kleinere Nachlässe oder Erhöhungen des Mietzinses unabhängig von den Regelungen des Mietvertrages, Änderungen der Werbung im Außenbereich) zu treffen. All dies könnte gegebenenfalls – genauere rechtliche Prüfung vorausgesetzt - einen Verstoß gegen das Schriftformerfordernis herbeiführen, selbst oder gerade wenn die Abreden per E-Mail, sozialer Medien oder herkömmlich im Briefverkehr erfolgen. Sollte dem Mieter oder Vermieter ein Mietverhältnis und dessen befristete Dauer besonders wichtig sein (z.B. wegen der getroffenen Investitionen oder der Standortsicherung), muss dringend geraten werden, die oben genannte Rechtsprechung zur Kenntnis zu nehmen und gegebenenfalls durch entsprechenden formgerechten und wirksamen Nachtrag (der wiederum die Anforderungen des BGH erfüllen muss) eine Heilung des in der Vergangenheit liegenden Schriftformverstoßes herbeizuführen. Die im Mietvertrag beinhaltete Schriftformklausel hilft nunmehr nicht mehr. Insoweit besteht natürlich auch die Gefahr, „schlafende Hunde“ zu wecken und bei ungeschickter Vorgehensweise den Vertragspartner geradezu auf die Problematik zu „stoßen“. Sollten sich Mieter oder Vermieter demgegenüber gegebenenfalls von einem langjährigen Mietverhältnis „trennen“ wollen, kann die genannte Rechtsprechung ebenfalls Vorteile bieten und ggf. ein ordentliches Kündigungsrecht „eröffnen“. Die einschlägige Fachwelt erwartet im Hinblick auf die oben genannte aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Fall des Trennungswillens von Vermieter oder Mieter aus einem langjährigen Mietverhältnis umfangreich Berufung auf die oben genannte Rechtsprechung.
Einzelrechtsprechung zur Schriftform:
Die Änderung der Miete, die auf einer Vertragsklausel beruht, wonach eine Vertragspartei bei Vorliegen einer bestimmten Indexänderung eine Neufestsetzung verlangen kann - d.h. es liegt keine sogenannte Automatismusklausel vor - unterfällt - anders als bei einer Anpassungsautomatik oder einem einseitigen Änderungsrecht - dem Schriftformerfordernis des § 550 S. 1 BGB (BGH, Urteil vom 11.04.2018 - XII ZR 43/17).
Die Einhaltung der Schriftform ist für die Wirksamkeit der Laufzeit des befristeten Mietvertrages von größter Bedeutung. Ist die Schriftform im Sinne des Gesetzes nicht eingehalten, gilt der Mietvertrag lediglich als für unbestimmte Zeit geschlossen und kann daher von dem Vertragspartner zum Ablauf des ersten Mietjahres vorzeitig unter Einhaltung der gesetzlichen Frist gekündigt werden. Im Hinblick auf die zukünftige wirtschaftliche Planung ist insoweit größte Vorsicht geboten.
Schriftform in diesem Sinne bedeutet zum einen Schriftlichkeit der Erklärung, zum anderen Einheitlichkeit der Urkunde (d.h. das gesamte schriftformbedürftige Geschäft, somit auch die Anlagen, müssen in der Urkunde enthalten sein) sowie Vorliegen einer leserlichen Unterschrift (nicht bloße Paraphe) als räumlicher Abschluss der Erklärung. Dieser Formzwang umfasst alle Nebenabreden und Anlagen aber auch nachträgliche Änderungen und Ergänzungen. Wichtig ist, dass zukünftige Ergänzungen und Nachträge in der formell ordnungsgemäßen Form getätigt werden, andernfalls die große Gefahr besteht, dass das vorbezeichnete Schriftformerfordernis „ausgehebelt“ wird, mit der Folge, dass wiederum Kündbarkeit des Vertrages besteht. Gerade wenn nachfolgend – nach Abschluss des Mietvertrages - weitere Regelungen hinsichtlich des Mietobjektes getroffen werden, müssen diese zwingend in einem formell wirksamen Nachtrag zum Mietvertrag formuliert werden. Dies gilt insbesondere auch für Vereinbarungen des Mietzinses, Nebenkosten sowie Übergabeprotokoll.
Inwieweit die Schriftform eingehalten ist oder nicht, somit die vorbezeichnete Problematik entsteht, ist aufgrund einer Unzahl von Rechtsprechung komplex und schwierig zu beurteilen.
So hat das OLG Dresden in seinem Beschluss vom 25.08.2015 – 5 U 1057/15 - einen Verstoß gegen die gesetzliche Schriftform angenommen, wenn der Mieter vereinbarungsgemäß über die im Mietvertrag genannte Fläche von 320 qm im Gebäude hinaus zusätzlich mehr als 900 qm um das Gebäude herum benutzt, die für die Durchführung des Mietzwecks durch den Mieter von erheblicher Bedeutung sind.
Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 25.11.2015 – XII ZR 114/14 - die Änderung der Miethöhe als eine stets wesentliche und - jedenfalls soweit sie für mehr als ein Jahr erfolgt und vom Vermieter nicht werden widerrufen kann - den Schriftformzwang unterfallende Vertragsänderung angesehen.
Will ein Gewerberaummieter von einem ihm vertraglich eingeräumten Optionsrecht Gebrauch machen, braucht er hierfür nicht die gesetzliche Schriftform zu wahren, vielmehr genügt ein Telefax (BGH-Urteil vom 21.11.2018 – XII ZR 78/17). Anderes kann selbstredend gelten, wenn wirksam eine strengere Form als die gesetzliche Schriftform vereinbart ist.
Gewerbemietverträge enthalten oft eine sog. doppelte Schriftformklausel. Eine formularmäßig erfolgte Vereinbarung schließt wegen des Vorrangs der Individualvereinbarung eine mündliche oder auch konkludente Änderung der Vertragsabreden nicht aus (BGH Urteil vom 25.01.2017 - XII ZR 69/16).
Aktuelles zum Abschluss eines gewerblichen Mietvertrages:
Unterbreitet ein Vertragspartner (z.B. Vermieter) dem anderen abwesenden Vertragspartner (z.B. Mieter) ein Angebot auf Abschluss eines Mietvertrages (Übersendung eines durch einen Vertragspartner unterzeichneten Mietvertrages an den anderen Vertragspartner) muss dieser im Rahmen einer Regelfrist von zwei bis max. 3 Wochen durch den anderen Vertragspartner (hier: Mieter) mittels Unterschrift angenommen und dem Vertragspartner (hier: Vermieter) ein unterzeichnetes Mietvertragsexemplar zugeleitet werden. Andernfalls ist zwischen den Parteien kein Mietvertrag zu Stande gekommen. Erreicht das unterzeichnete Mietvertragsexemplar den Vertragspartner (Vermieter) erst nach Ablauf der vorgenannten Frist, kann wohl nur dann von einer konkludenten Annahme seitens des Vertragspartners (hier Vermieter) ausgegangen werden, wenn der Erklärende zumindest Zweifel am Zu-Stande-Kommen des Vertrages hatte. Die vom Bundesgerichtshof in dem Urteil vom 24.02.2016 – XII ZR 5/15 - aufgestellte Regelfrist von zwei bis drei Wochen ist daher zwingend zum Erreichen eines rechtswirksamen Mietvertrages zu beachten. Die Rechtzeitigkeit der Annahme eines Vertragsangebotes hat danach grundsätzlich derjenige zu beweisen, der den Vertragsschluss behauptet und daraus Rechtsfolgen ableitet.
Privates Baurecht
Verkehrszivil- und Verkehrsstrafrecht
Aktuelle Entscheidung des BGH zu Dashcam-Aufnahmen im Unfallzivilprozess
Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 15.05.2018, Az.: VI ZR 233/17, ausgeurteilt, dass Dashcam-Videoaufzeichnungen per se zwar unzulässig sind, da sie gegen § 4 BDSG verstoßen. Denn die Videoaufzeichnung erfolgte ohne Einwilligung der Betroffenen und finde seine Rechtfertigung auch nicht in § 6 b I BDSG oder § 28 I BDSG.
Im Zivilprozess können Dashcam-Videoaufzeichnungen dennoch verwertbar sein.
Denn nach der Systematik des Zivilprozesses kann ein Beweismittel, auch wenn es unzulässig oder rechtswidrig ist unter gewissen Voraussetzungen doch im Prozess verwertet werden.
Das Zivilgericht hat eine Interessen- und Güterabwägung vorzunehmen und den Einzelfall zu bewerten.
Auf Seiten des Beweisführers stehen folgende abzuwägende Interessen:
- Das Recht zur Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche
- Das Recht auf rechtliches Gehör
- Der Anspruch auf eine funktionierende Zivilrechtspflege
Auf Seiten des Beweisgegners stehen folgende abzuwägende Interessen:
- Das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Form des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.
In der Regel wird die Interessenabwägung zugunsten des Beweisführers ausfallen.
Denn der Beweisgegner begibt sich freiwillig in den öffentlichen Straßenraum und bekundet durch seine Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr die Genehmigung, dass er sich Wahrnehmungen und Beobachtungen durch andere Verkehrsteilnehmer aussetzt.
Wichtig ist dabei, dass nur Vorgänge aufgezeichnet werden, die grundsätzlich für jedermann wahrnehmbar sind, mithin auf öffentlichen Straßen.
Ingolstadt, den 21.06.2018
Aktuelle Neuigkeiten im OWi-Recht
Der Bundesrat hat am 22.09.2017 diverse Neuerungen im Verkehrsrecht gebilligt.
- Je nach tatbestandlichem Einzelfall kann zukünftig eine Geldbuße bis zu 320,00 € sowie ggf. ein einmonatiges Fahrverbot verhängt werden für Verkehrsteilnehmer, welche bei Unfällen etc. keine Rettungsgasse bilden.
- Das Handy-Verbot am Steuer ist erweitert worden. § 23 Abs. 1 a StVO n.F. wird eine „technikoffene Formulierung“ erhalten. Damit soll sichergestellt werden, dass sich Kfz-Fahrer auf ihre Fahrt konzentrieren und nicht abgelenkt werden. Die Bedienung dieser Geräte mit Sprachsteuerung und Vorlesefunktion bleibt allerdings zulässig.
- Ein Handy am Steuer kostet den Kraftfahrer zukünftig 100,00 € und den Radfahrer 55,00 €. Tritt zusätzlich eine Gefährdung und Sachbeschädigung ein, können dem Kfz-Fahrer Geldbußen bis 200,00 € sowie ein einmonatiges Fahrverbot treffen.
- § 23 Abs. 4 StVO n.F. normiert ein Verschleierungsverbot am Steuer.
Ingolstadt, den 26.10.2017
Mit Spannung erwartete Entscheidung des BVerwG zur Anordnung einer MPU auch bei Promillefahrt unter 1,6
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 06.04.2017, Az. 3 C 24.15 auf Vorlage des VGH München entschieden, dass die Führerscheinbehörde nicht automatisch die Neuerteilung des Führerscheins von der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens (MPU) abhängig machen darf, wenn ein Verkehrsteilnehmer mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von weniger als 1,6 Promille aus dem Verkehr gezogen und ihm im Strafverfahren deshalb die Fahrerlaubnis entzogen wurde.
Diese Entscheidung hat erhebliche Relevanz vor allem in Bayern, da der VGH München dazu tendierte, alleine die strafrechtliche Entziehung der Fahrerlaubnis für die Anordnung einer MPU im Rahmen des Neuerteilungsverfahrens ausreichen zu lassen.
Nach Auffassung des VGH München sollte es bei der Anordnung einer MPU generell nicht auf die Höhe der BAK ankommen. Dies hätte bedeutet, dass der VGH München hier auch bei einer BAK von 0,3 Promille ein MPU-Gutachten als Voraussetzung für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis als rechtmäßig erachtet hätte.
Dies hätte sicherlich einen Paukenschlag dargestellt, weshalb der VGH München zur Klärung dieser Frage die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen hat.
Das Bundesverwaltungsgericht hat der Rechtsansicht des VGH München nunmehr eine Absage erteilt.
Das Bundesverwaltungsgericht stellt klar, dass eine einmalige Trunkenheitsfahrt ohne das Hinzutreten weiterer aussagekräftiger Tatsachen erst ab einer BAK von 1,6 Promille die Anordnung einer MPU rechtfertige.
Die strafgerichtliche Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt sei kein eigenständiger Sachgrund für die Anforderung einer MPU.
Ingolstadt, den 06.06.2017
Dash-Cam-Aufnahme als Beweismittel zulässig? LG München I sagt „JA“
Die Zulässigkeit von Aufnahmen einer DashCam in einem Zivilverfahren oder einem Strafverfahren ist in der bundesweiten Rechtsprechung umstritten.
Das AG München hat noch im Jahre 2014 (Beschluss vom 13.08.2014, ZD 2014, 430) die Filmaufnahme einer DashCam als Beweismittel im zivil- und strafrechtlichen Verfahren nicht zugelassen.
Das LG München I v. 14.10.2016, Az. 17 S 6473/16 weist nunmehr allerdings darauf hin, dass Filmaufnahmen einer DashCam als Beweismittel grundsätzlich zulässig sind und auch in Augenschein genommen werden können, § 371 ZPO analog.
Dies bedeutet, dass die Filmaufnahmen im Gerichtsprozess abgespielt werden dürfen. Auch darf der Sachverständige bei Erstellung seines unfallanalytischen Gutachtens diese Filmaufnahmen berücksichtigen.
Dabei stellte das LG München I klar, dass es die Filmaufnahmen einer DashCam nur dann als zulässiges Beweismittel betrachtet, wenn die Dash-Cam-Aufzeichnungen ausschließlich zur Beweisführung im Prozess verwendet werden.
Für das LG München I ist entscheidend, ob eine stetige oder nur eine anlassbezogene Aufzeichnung mit der DashCam vorgenommen wird. Erfolgt insbesondere eine automatische Löschung der Aufzeichnung innerhalb bestimmter Zeiträume, sieht das LG München I bei der Nutzung einer Dash-Cam keinen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen sowie das Recht am eigenen Bild.
Regelmäßig haben in einem Zivilprozess beide Parteien ein Interesse an der Verwertung der Dash-Cam-Aufzeichnungen.
Den berechtigten bundesdatenschutzrechtlichen Bedenken wird ebenfalls Rechnung getragen, da das LG München I die Verwertbarkeit von Dash-Cam-Aufnahmen von bestimmten Voraussetzungen abhängig macht, die es zu kennen gilt.
Grundsätzliches zur Unfallflucht:
Dem Straßenverkehrsteilnehmer, der von den Ermittlungsbehörden mit dem Vorwurf der Unfallflucht gemäß § 142 StGB konfrontiert wird, ist dringend anzuraten, sich so früh wie möglich rechtsanwaltlichen Beistand zu suchen.
Oftmals stehen die Polizeibeamten bereits kurz nach der vermeintlichen Unfallflucht direkt vor der Tür meiner nichts ahnenden Mandanten und beginnen zu ermitteln. Mein Mandant, der sich keiner Schuld bewusst ist, beginnt zu reden. Bereits dies sollte vermieden werden. Vielmehr sollte man sich gegenüber der Polizei auf sein Aussageverweigerungsrecht berufen und unverzüglich Rechtsbeistand in Anspruch nehmen. Denn die einmal getätigten Aussagen gegenüber den Polizeibeamten können in einem etwaig nicht zu vermeidenden Strafgerichtsverfahren gegen ihn verwendet werden.
Bereits im Ermittlungsverfahren können effektive Verteidigungsstrategien durch den Strafverteidiger dazu führen, dass die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren einstellt.
Sollte es dennoch zu einem Gerichtsverfahren kommen, droht die Verurteilung wegen Unfallflucht sowie – was für meine Mandanten zumeist die härtere Konsequenz darstellt - unter Umständen die Entziehung der Fahrerlaubnis.
Dem kann mit einer effektiven Verteidigungsstrategie begegnet werden. Manchmal kann die Entziehung der Fahrerlaubnis in ein Fahrverbot umgewandelt werden. Auch kann der Tatvorwurf der Unfallflucht gänzlich beseitigt werden, wenn sich herausstellt, dass mein Mandant die Unfallflucht nur fahrlässig begangen hat. In diesem Fall muss ein Freispruch oder die Verfahrenseinstellung erfolgen.
Doch selbst bei einem Freispruch oder einer Verfahrenseinstellung des Strafgerichts hat sich die Angelegenheit unter Umständen für meine Mandanten nicht erledigt.
Denn nach dem Strafgerichtsprozess werfen die Haftpflicht- und/oder Vollkaskoversicherungen meinen Mandanten eine vertragliche Obliegenheitsverletzung vor und fordern von diesen das Geld zurück, welches sie für die Schadensbeseitigung an den Unfallgeschädigten gezahlt haben.
Je nach Fallkonstellation kann auch die Führerscheinbehörde auf den Fall aufmerksam werden und fordert eine Überprüfung der Fahreignung von meinen Mandanten.
Aufgrund all dieser Zusammenhänge, welches die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Unfallflucht mit sich bringt, sollte so früh wie möglich Rechtsbeistand gesucht werden!
Der Strafverteidiger sollte dabei nicht nur das strafrechtliche Verfahren im Blick haben, sondern auch die sich hieran möglicherweise anschließenden zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Verfahren.
Bereits im Strafverfahren können hier die richtigen „Weichen“ gestellt werden!
Winterreifenpflicht in Deutschland, Ja oder Nein?
Ein starrer Zeitraum zur Winterreifenpflicht existiert in Deutschland nicht mehr. In Deutschland schreibt § 2 III a StVO "lediglich" vor, dass bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch und Eis- oder Reifglätte geeignete Reifen zu nutzen sind. Als geeignete Reifen sind solche, auf denen sich die Kennzeichnung M+S-Reifen befindet. Auf geeigneten Winterreifen muss deshalb entweder ein „M+S“ oder eine Schneeflocke mit drei Bergspitzen zu sehen sein. Zu beachten ist, dass an 2018 die M+S-Kennzeichnung nicht mehr ausreicht. Zulässige Winterreifen sind dann nur noch solche, auf denen eine Schneeflocke mit drei Bergspitzen zu erkennen ist.
In Deutschland herrscht damit eine situative Winterreifenpflicht, abhängig von den konkreten Wetterverhältnissen. Es ist aber dennoch empfehlenswert, geeignete Winterreifen ab Oktober bis Ostern – so die Expertenmeinung – aufzuschnallen.
Denn das Fahren mit Sommerreifen bei winterlichen Verhältnissen ist wird mit Geldbuße und Punkten geahndet.
Darüber hinaus riskiert der Versicherungsnehmer seinen Versicherungsschutz. Denn kommt es im Winter zu einem Verkehrsunfall mit einem Kfz mit Sommerreifen, wird der Haftpflicht- und/oder Kaskoversicherer in der Regel ohne weitere Prüfung die Versicherungsleistung kürzen (Kaskoversicherung) oder beim Versicherungsnehmer Regress nehmen (Haftpflichtversicherung).
Die Kürzung der Versicherungsleistung bzw. der Regress ist dann zulässig, wenn der Versicherungsnehmer den Verkehrsunfall grob fahrlässig herbeigeführt hat. Im Einzelfall liegt die grobe Fahrlässigkeit nicht bereits darin, dass der Versicherungsnehmer mit Sommerreifen gefahren ist. Denn wie oben ausgeführt, herrscht Winterreifenpflicht "nur" bei winterlichen Wetterverhältnissen.
Des Weiteren muss es sich dem Versicherungsnehmer in subjektiver Hinsicht geradezu aufgedrängt haben, dass das Fahren mit Sommerreifen vor Ort besonders gefahrenträchtig gewesen ist.
Fazit ist, dass die Versicherungen schnell mit Kürzungen und Regress gegenüber dem Versicherungsnehmer hantieren, wenn dieser im Winter mit Sommerreifen unterwegs ist. Allein dieser Umstand reicht aber nicht aus, um hier zulässig die Versicherungsleistung zu kürzen oder zu regressieren. Hinzutreten muss noch ein objektives sowie subjektives Verschulden des Versicherungsnehmers.
Werden Sie mit diesem Vorwurf Ihrer Versicherung konfrontiert, sollten Sie auf jeden Fall bei einem Spezialisten für Versicherungsrecht Rat einholen.
Die Nutzung des Mobiltelefons im Straßenverkehr
Die Nutzung des Mobiltelefons im Straßenverkehr ist über § 23 Abs. 1 a StVO geregelt. § 23 Abs. 1 a StVO verbietet es, ein Mobil-/Autotelefon oder sonstiges Smartphone im Straßenverkehr zu benutzen.
Da das Thema Nutzung eines Mobiltelefons im Straßenverkehr ein Dauerbrenner ist, sollen hier folgende kurze Ausführungen zusammenfassend einen kleinen Überblick geben.
Von § 23 Abs. 1 a StVO erfasst werden sowohl Kraftfahrzeugführer als auch Radfahrer.
§ 23 Abs. 1 a Satz 2 StVO normiert Ausnahmen vom Benutzungsverbot. Steht das Fahrzeug, darf z. B. mit dem Mobiltelefon telefoniert werden. Ein Kfz steht nur dann im Sinne des § 23 Abs. 1 a Satz 2 StVO, wenn der Motor ausgeschaltet wird.
Benutzt wird ein Mobiltelefon, wenn man dessen Funktionen nutzt. Gegen § 23 Abs. 1 a StVO verstößt man auch dann, wenn man andere Funktionen als die des Telefonierens nutzt, z. B. WhatsApp-Nachrichten. Auch die Vor- und Nachbereitungshandlungen eines Telefonats werden von § 23 Abs. 1 a StVO erfasst.
Hingegen, verstößt man nicht gegen § 23 Abs. 1 a StVO, wenn man das Mobiltelefon in die Hand nimmt, um es an eine andere Stelle zu legen.
Die Geldbuße für einen Verstoß gegen § 23 Abs. 1 a StVO beträgt zwischen 25,00 € (Radfahrer) und 60,00 € (Kraftfahrer). Weitaus relevanter für die Verkehrsteilnehmer ist, dass ein Verstoß gegen § 23 Abs. 1 a StVO unter Umständen ein Fahrverbot nach sich ziehen kann.
Es lohnt sich gerade im Falle einer Verhängung eines Fahrverbots, gegen den Bußgeldbescheid vorzugehen.
Ingolstadt, den 27.04.2017
Versicherungsrecht
Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Lasik-Operation an den Augen
Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 29.03.2017, Az.: 4 ZR 533/15, entschieden, dass die Kosten einer Lasik-Operation an den Augen von dem privatem Krankenversicherungsträger zu übernehmen ist, wenn im Einzelfall eine ausreichende Fehlsichtigkeit vorliegt.
Dies kann durchaus als Novum bezeichnet werden, da bislang die einheitliche höchstrichterliche Rechtsprechung davon ausgegangen ist, dass die Kosten einer Lasik-Operation nicht zu erstatten sind.
Maßgebend in der privaten Krankenversicherung ist die bedingungsgemäße Krankheit gemäß § 1 Absatz 2 MB/KK.
Laut BGH kommt es für den Krankheitsbegriff in den AVB nicht auf das Verständnis in medizinischen Fachkreisen, sondern ausschließlich auf das Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers an.
Der durchschnittliche Versicherungsnehmer geht davon aus, dass zum Normalzustand der Sehfähigkeit ein beschwerdefreies Lesen und eine gefahrenfreie Teilnahme am Straßenverkehr gehören.
Wenn es sich nicht nur um eine ganz geringfügige Beeinträchtigung der Sehfähigkeit handelt, wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer von dem Vorliegen einer bedingungsgemäßen Krankheit ausgehen.
Im vorliegenden Fall trat bei der Versicherungsnehmerin eine Fehlsichtigkeit auf beiden Augen von - 3 bzw. - 2,75 Dioptrien auf. Hier bejahte der BGH das Vorliegen einer bedingungsgemäßen Krankheit gemäß § 1 Absatz 2 MB/KK.
Bislang übliche Begründung der privaten Krankenversicherer zur Ablehnung der Kostenübernahme war, dass die Fehlsichtigkeit durch das Tragen einer Brille oder von Kontaktlinsen ausgeglichen werden könne und deshalb eine Krankheit nicht vorliege.
Dem hat der BGH nunmehr eine Absage erteilt. Laut BGH sind Brillen und Kontaktlinsen nicht die Heilbehandlung der Fehlsichtigkeit per se sondern stellen lediglich Hilfsmittel dar, mit denen körperliche Defekte über einen längeren Zeitraum ausgeglichen werden und die einschlägigen Versicherungsbedingungen an keiner Stelle einen Hinweis enthalten, dass die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung grundsätzlich davon abhängen soll, ob der Versicherungsnehmer (dauerhaft) auf ein Hilfsmittel zurückgreifen kann, dass für den bei ihm bestehenden normalen Körperzustand auszugleichen oder abzuschwächen geeignet ist, ohne am eigentlichen Leiden etwas zu ändern.
Ingolstadt, 28.06.2018
Kündigung einer Kfz-Vollkaskoversicherung durch den Ehepartner
Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 28.02.2018, Az.: 12 ZR 94/17, entschieden, dass ein Ehepartner die auf seinen Partner laufende Vollkaskoversicherung für das Familienfahrzeug auch ohne dessen Vollmacht kündigen kann.
Eine grundsätzliche generelle gesetzliche Vertretungsmacht unter Ehegatten existiert im BGB nicht. Die Kündigung des Ehepartners kann gemäß § 1357 BGB allerdings wirksam sein. Gemäß § 1357 BGB ist jeder Ehegatte berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen.
Laut BGH kann die Kündigung einer Vollkaskoversicherung ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie darstellen.
Wichtig zu wissen ist allerdings, dass dies für den jeweiligen Einzelfall gilt.
Der BGH hat keinen generellen Grundsatz aufgestellt, demgemäß jede Kündigung einer Vollkaskoversicherung ein Geschäft zur Deckung des täglichen Lebensbedarfs der Familie ist.
Vielmehr richtet sich diese Frage nach dem individuellen Zuschnitt der Familie, mithin nach dem Einzelfall.
Besteht ein ausreichender Bezug zum Familienunterhalt, können der Abschluss einer Vollkaskoversicherung und damit auch deren Kündigung in den Anwendungsbereich des § 1357 Absatz 1 BGB fallen.
Im konkreten Fall haben den BGH folgende Punkte zur Anerkennung bewogen:
- Die fünfköpfige Familie hat nur dieses eine streitgegenständliches Fahrzeug zur Verfügung.
- Der Pkw war auf den kündigenden Ehemann zugelassen.
- Die monatlichen Prämien bewegten sich noch in einem angemessenen Rahmen und können damit als Bedarfsdeckung der Familie angesehen werden.
Ingolstadt, 28.06.2018
Keine arglistige Täuschung bei Nichtangabe tatsächlich nicht eingenommener Medikamente im Antragsformular (hier: Risikolebensversicherung)
Das OLG Karlsruhe hat mit Urteil vom 03.12.2015, Az. 12 U 57/15, entschieden, dass die Nichtangabe von Medikamenten, welche dem VN verschrieben worden sind, er aber tatsächlich nicht eingenommen hat, keine eine arglistige Täuschung des VN darstellt.
Im zugrundeliegenden Fall war der VN bei Antragstellung ohne erkennbare Beschwerden. Er befand sich in hausärztlicher Behandlung wegen Bluthochdruck und bekam Herzmedikamente verschrieben, welche er allerdings nicht eingenommen hat.
In dieser Konstellation hat das Gericht angenommen, dass dem VN die Tragweite und Bedeutung der Nichteinnahme dieser Herzmedikamente nicht bewusst war und er damit keine arglistige Täuschung begangen haben kann.
Der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten durch Beschluss vom 07.09.2016, Az.: 4 ZR 4/16, zurückgewiesen.
Das Urteil beweist einmal mehr, dass die objektive Nichtangabe gefahrerheblicher Umstände im Antragsformular nicht automatisch eine arglistige Täuschung darstellt. Denn auch das Gericht betont, dass es „keinen allgemeinen Satz der Lebenserfahrung des Inhalts gibt, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung von Fragen nach dem Gesundheitszustand oder früheren Behandlung immer oder nur in der Absicht erfolgt, auf den Willen des Versicherers Einfluss zu nehmen.“
Ingolstadt, den 22.06.2017